Umfassende Erklärungen mit wissenschaftlichen Quellen
Wie wir andere Menschen wahrnehmen und beurteilen
Der Halo-Effekt beschreibt die Tendenz, dass ein einzelnes positives Merkmal einer Person unsere Gesamtwahrnehmung dieser Person übermäßig positiv beeinflusst. Negative Eigenschaften werden dabei oft übersehen oder abgeschwächt.
Eine attraktive Person wird oft automatisch als kompetenter, intelligenter und vertrauenswürdiger eingeschätzt, auch ohne objektive Belege für diese Eigenschaften.
Thorndike (1920) prägte den Begriff erstmals in seiner Studie "A Constant Error in Psychological Ratings". Er beobachtete, dass Vorgesetzte, die Soldaten in einer Eigenschaft positiv bewerteten, dazu neigten, sie auch in anderen, unabhängigen Eigenschaften positiv zu bewerten.
Der Primacy-Effekt beschreibt das Phänomen, dass erste Informationen über eine Person einen überproportional starken Einfluss auf den Gesamteindruck haben. Der erste Eindruck prägt maßgeblich, wie alle weiteren Informationen interpretiert werden.
Bei einem Vorstellungsgespräch entscheiden oft die ersten Minuten über den Gesamteindruck. Ein selbstbewusstes Auftreten zu Beginn kann spätere kleine Fehler überdecken.
Asch (1946) demonstrierte in seinem klassischen Experiment, dass die Reihenfolge von Eigenschaftswörtern die Personenwahrnehmung beeinflusst. Die Beschreibung "intelligent-fleißig-impulsiv-kritisch-stur-neidisch" führte zu positiveren Bewertungen als die umgekehrte Reihenfolge.
Der Recency-Effekt tritt auf, wenn die zuletzt präsentierten Informationen den stärksten Einfluss auf die Urteilsbildung haben. Dies geschieht besonders bei längeren Zeitabständen zwischen den Informationen.
Der Rosenthal-Effekt beschreibt, wie die Erwartungen einer Person das Verhalten anderer Menschen beeinflussen können. Positive Erwartungen führen oft zu besseren Leistungen, negative Erwartungen zu schlechteren.
Rosenthal & Jacobson (1968) führten ein bahnbrechendes Experiment in Schulen durch. Lehrern wurde mitgeteilt, dass bestimmte (zufällig ausgewählte) Schüler besonderes intellektuelles Potenzial hätten. Am Ende des Schuljahres zeigten diese Schüler tatsächlich größere Leistungssteigerungen.
Wie wir Ursachen für Verhalten erklären
Die Attributionstheorie erklärt, wie Menschen das Verhalten anderer interpretieren, indem sie es entweder internen Faktoren (Persönlichkeit, Veranlagung) oder externen Faktoren (Situation, Umstände) zuschreiben.
Internale Attribution: Das Verhalten wird auf persönliche Eigenschaften, Fähigkeiten oder Einstellungen zurückgeführt.
"Er hat die Prüfung bestanden, weil er intelligent ist."
Externale Attribution: Das Verhalten wird auf äußere Umstände oder situative Faktoren zurückgeführt.
"Er hat die Prüfung bestanden, weil sie sehr leicht war."
Heider (1958) legte in seinem Werk "The Psychology of Interpersonal Relations" den Grundstein für die Attributionstheorie und betonte die Bedeutung der Unterscheidung zwischen Person und Situation.
Die systematische Tendenz, bei der Erklärung des Verhaltens anderer Menschen den Einfluss der Situation zu unterschätzen und den Einfluss persönlicher Eigenschaften zu überschätzen.
Teilnehmer lasen Essays über Fidel Castro. Selbst wenn ihnen gesagt wurde, dass die Autoren gezwungen waren, eine bestimmte Position zu vertreten, schrieben sie den Autoren entsprechende persönliche Einstellungen zu.
Die Tendenz zu glauben, dass die Welt grundsätzlich gerecht ist und Menschen bekommen, was sie verdienen. Dies kann zu Victim-Blaming führen.
Die Annahme, dass Opfer von Verbrechen oder Unglücken selbst daran schuld sein müssen ("Sie hätte vorsichtiger sein sollen").
Lerner (1980) prägte dieses Konzept in "The Belief in a Just World: A Fundamental Delusion" und zeigte, wie dieser Glaube als psychologischer Schutzmechanismus funktioniert.
Wie Einstellungen entstehen und verändert werden
Das Elaboration Likelihood Model (ELM) von Petty & Cacioppo (1986) beschreibt zwei Wege, wie Menschen überzeugt werden können.
Überzeugung durch sorgfältige Evaluation der Argumente. Tritt auf bei:
Überzeugung durch oberflächliche Hinweisreize. Tritt auf bei:
Petty & Cacioppo (1986) entwickelten das ELM als umfassendes Modell der Einstellungsänderung. Ihre Experimente zeigten, dass die Route der Verarbeitung von individuellen und situativen Faktoren abhängt.
Eine Überzeugungstechnik, bei der zunächst um eine kleine Gefälligkeit gebeten wird, gefolgt von einer größeren Bitte. Die Zustimmung zur ersten Bitte erhöht die Wahrscheinlichkeit der Zustimmung zur zweiten.
Hausbesitzer wurden gebeten, ein kleines Schild im Fenster aufzustellen. Zwei Wochen später waren sie eher bereit, ein großes Schild im Vorgarten aufzustellen (76%) als die Kontrollgruppe (17%).
Das unangenehme Gefühl, das entsteht, wenn Einstellungen und Verhalten nicht übereinstimmen. Menschen sind motiviert, diese Dissonanz zu reduzieren.
Ein Raucher, der weiß, dass Rauchen schädlich ist, erlebt kognitive Dissonanz. Er kann diese reduzieren durch: Aufhören zu rauchen, die Gefahren herunterspielen oder positive Aspekte betonen.
Teilnehmer, die für eine langweilige Aufgabe nur $1 erhielten, bewerteten sie später als interessanter als jene, die $20 erhielten - sie mussten ihre Einstellung ändern, um die Dissonanz zu reduzieren.
Wie andere Menschen unser Verhalten beeinflussen
Öffentliche Verhaltensänderung ohne private Akzeptanz. Die Person fügt sich dem Gruppendruck, behält aber ihre eigene Meinung bei.
In einer Besprechung stimmen Sie einer Idee zu, obwohl Sie privat anderer Meinung sind.
Sowohl öffentliche als auch private Meinungsänderung. Die Person übernimmt die Gruppenmeinung vollständig.
Nach intensiver Diskussion ändern Sie tatsächlich Ihre Meinung zu einem Thema.
Die Tendenz, sich an Gruppennormen anzupassen. Kann durch informativen oder normativen Einfluss entstehen.
Unterschieden erstmals systematisch zwischen diesen beiden Einflussarten und zeigten ihre unterschiedlichen Auswirkungen auf Konformität.
Die Tendenz, Anweisungen von Autoritätspersonen zu befolgen, selbst wenn diese im Konflikt mit persönlichen Werten stehen.
65% der Teilnehmer verabreichten vermeintliche Elektroschocks bis zur höchsten Stufe (450 Volt), wenn eine Autoritätsperson dies anordnete.
Einflussfaktoren:
Dynamiken und Phänomene in Gruppen
Die Tendenz, in Gruppensituationen weniger Anstrengung zu zeigen als bei Einzelarbeit. Die individuelle Leistung nimmt ab, wenn die eigene Anstrengung nicht identifizierbar ist.
Beim Tauziehen sinkt die durchschnittliche Zugkraft pro Person mit zunehmender Gruppengröße:
Prägten den Begriff "Social Loafing" und zeigten in verschiedenen Experimenten (Klatschen, Rufen), dass die Reduktion der Anstrengung ein universelles Phänomen ist.
Der Verlust der Selbstwahrnehmung und persönlichen Verantwortung in Gruppensituationen, besonders unter Bedingungen von Anonymität und Erregung.
Zeigte, dass anonyme Teilnehmer (mit Kapuzen) längere und intensivere Elektroschocks verabreichten als identifizierbare Teilnehmer.
Die Tendenz von Gruppen, nach Diskussionen extremere Positionen einzunehmen als der Durchschnitt der individuellen Ausgangsmeinungen.
Echokammern in sozialen Medien verstärken bestehende Meinungen und führen zu extremeren Positionen in politischen und sozialen Fragen.
Die Anwesenheit anderer kann die Leistung bei einfachen oder gut gelernten Aufgaben verbessern, aber bei komplexen oder neuen Aufgaben verschlechtern.
Erklärte das Phänomen durch erhöhte Erregung: Diese verstärkt dominante (gut gelernte) Reaktionen und hemmt nicht-dominante (neue) Reaktionen.
Entstehung und Auswirkungen von Vorurteilen
Vorurteile bestehen aus drei Komponenten, die zusammenwirken:
Verallgemeinerte Überzeugungen über eine Gruppe. Kognitive Komponente.
"Alle Mitglieder der Gruppe X sind Y" (z.B. "Deutsche sind pünktlich")
Negative oder positive Gefühle gegenüber einer Gruppe. Emotionale Komponente.
Unbehagen, Angst oder Abneigung gegenüber einer bestimmten Gruppe
Negatives Verhalten gegenüber Gruppenmitgliedern. Verhaltenskomponente.
Benachteiligung bei Einstellungen, Vermeidungsverhalten, Mikroaggressionen
Die Tendenz, die eigene Gruppe ("Wir") gegenüber Fremdgruppen ("Sie") zu bevorzugen, selbst bei minimalen oder willkürlichen Gruppeneinteilungen.
Selbst zufällige Gruppenzuteilungen (z.B. "Überschätzer" vs. "Unterschätzer" von Punkten) führten zu:
Die Tendenz, Gesichter der eigenen ethnischen Gruppe besser zu erkennen und zu erinnern als Gesichter anderer ethnischer Gruppen.
Meta-Analyse von 39 Studien zeigte: Menschen sind 1.4x wahrscheinlicher, Gesichter der eigenen Ethnie korrekt zu identifizieren und 1.56x weniger wahrscheinlich, sie fälschlicherweise zu identifizieren.
Die Tendenz, schneller zu schießen, wenn das Ziel einer ethnischen Minderheit angehört, und langsamer, wenn es zur Mehrheit gehört - unabhängig davon, ob eine Waffe vorhanden ist.
In Videospiel-Simulationen zeigten Teilnehmer systematische Verzerrungen:
Vorurteile können durch positiven Kontakt zwischen Gruppen reduziert werden, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.
Meta-Analyse von 515 Studien mit über 250.000 Teilnehmern bestätigte: Intergruppenkontakt reduziert Vorurteile signifikant (r = -.21), besonders wenn Allports Bedingungen erfüllt sind.
Ursachen und Mechanismen aggressiven Verhaltens
MAOA-Gen ("Krieger-Gen"): Niedrige Expression ist mit erhöhter Aggression bei Provokation assoziiert.
Männer mit niedriger MAOA-Aktivität und Misshandlung in der Kindheit zeigten deutlich höhere Aggressionsraten.
Testosteron: Höhere Spiegel korrelieren mit aggressiverem Verhalten, besonders in Kombination mit niedrigem Cortisol.
Gefängnisinsassen mit hohem Testosteronspiegel hatten häufiger Gewaltdelikte begangen.
Frustration (Blockierung von Zielen) erzeugt eine Bereitschaft zur Aggression. Die ursprüngliche Hypothese wurde später modifiziert.
Reformulierte die Theorie: Frustration führt zu negativem Affekt, der die Wahrscheinlichkeit aggressiver Reaktionen erhöht, besonders bei Vorhandensein aggressiver Hinweisreize.
Aggressives Verhalten wird durch Beobachtung und Nachahmung gelernt. Mediengewalt kann aggressives Verhalten fördern.
Kinder, die Erwachsene bei aggressivem Verhalten gegen eine Puppe beobachteten, zeigten später selbst mehr aggressives Verhalten, besonders wenn das Modell belohnt wurde.
Meta-Analyse zeigte konsistente Zusammenhänge zwischen Gewaltmedienkonsum und aggressivem Verhalten, Gedanken und Gefühlen (r = .15-.20).
Verschiedene Umweltbedingungen können die Aggressionsbereitschaft erhöhen.
Höhere Temperaturen korrelieren mit mehr Gewaltverbrechen. Die Beziehung ist kurvilinear - extreme Hitze kann auch zu Lethargie führen.
Meilensteine der Sozialpsychologie
Ziel: Untersuchung des Gehorsams gegenüber Autoritäten
Ablauf: Teilnehmer sollten einem "Schüler" (Konföderierten) bei falschen Antworten Elektroschocks verabreichen.
Ergebnis: 65% verabreichten Schocks bis zur höchsten Stufe (450V), trotz Schreien und Bitten des "Opfers".
Forscher: Philip Zimbardo
Ziel: Einfluss von Rollen und Situationen auf Verhalten
Ablauf: Studenten wurden zufällig zu "Wärtern" oder "Gefangenen" in einem simulierten Gefängnis.
Ergebnis: Abbruch nach 6 Tagen wegen extremer Rollenübernahme, Machtmissbrauch der Wärter und psychischer Belastung der Gefangenen.
Ziel: Untersuchung des Gruppendrucks auf individuelle Urteile
Ablauf: Teilnehmer sollten Linienlängen vergleichen, während Konföderierte absichtlich falsche Antworten gaben.
Ergebnis: 75% der Teilnehmer stimmten mindestens einmal der offensichtlich falschen Gruppenmeinung zu.
Forscher: Muzafer Sherif
Ziel: Entstehung und Überwindung von Intergruppenkonflikten
Phasen:
Forscher: Albert Bandura
Ziel: Untersuchung des Lernens durch Beobachtung
Ergebnis: Kinder imitierten aggressives Verhalten gegen eine Puppe, besonders wenn das Modell belohnt wurde.