📚 Sozialpsychologie - Theorien & Konzepte

Umfassende Erklärungen mit wissenschaftlichen Quellen

Soziale Wahrnehmung

Wie wir andere Menschen wahrnehmen und beurteilen

🌟 Halo-Effekt

Der Halo-Effekt beschreibt die Tendenz, dass ein einzelnes positives Merkmal einer Person unsere Gesamtwahrnehmung dieser Person übermäßig positiv beeinflusst. Negative Eigenschaften werden dabei oft übersehen oder abgeschwächt.

💡 Beispiel

Eine attraktive Person wird oft automatisch als kompetenter, intelligenter und vertrauenswürdiger eingeschätzt, auch ohne objektive Belege für diese Eigenschaften.

🔬 Forschung

Thorndike (1920) prägte den Begriff erstmals in seiner Studie "A Constant Error in Psychological Ratings". Er beobachtete, dass Vorgesetzte, die Soldaten in einer Eigenschaft positiv bewerteten, dazu neigten, sie auch in anderen, unabhängigen Eigenschaften positiv zu bewerten.

🥇 Primacy-Effekt

Der Primacy-Effekt beschreibt das Phänomen, dass erste Informationen über eine Person einen überproportional starken Einfluss auf den Gesamteindruck haben. Der erste Eindruck prägt maßgeblich, wie alle weiteren Informationen interpretiert werden.

💡 Beispiel

Bei einem Vorstellungsgespräch entscheiden oft die ersten Minuten über den Gesamteindruck. Ein selbstbewusstes Auftreten zu Beginn kann spätere kleine Fehler überdecken.

🔬 Forschung

Asch (1946) demonstrierte in seinem klassischen Experiment, dass die Reihenfolge von Eigenschaftswörtern die Personenwahrnehmung beeinflusst. Die Beschreibung "intelligent-fleißig-impulsiv-kritisch-stur-neidisch" führte zu positiveren Bewertungen als die umgekehrte Reihenfolge.

🔄 Recency-Effekt

Der Recency-Effekt tritt auf, wenn die zuletzt präsentierten Informationen den stärksten Einfluss auf die Urteilsbildung haben. Dies geschieht besonders bei längeren Zeitabständen zwischen den Informationen.

📌 Wichtige Faktoren

  • Tritt verstärkt auf bei komplexen Informationen
  • Stärker bei längeren Zeitabständen zwischen Informationen
  • Kann den Primacy-Effekt überlagern
  • Besonders relevant bei Entscheidungsprozessen

🎓 Rosenthal-Effekt (Pygmalion-Effekt)

Der Rosenthal-Effekt beschreibt, wie die Erwartungen einer Person das Verhalten anderer Menschen beeinflussen können. Positive Erwartungen führen oft zu besseren Leistungen, negative Erwartungen zu schlechteren.

📊 Klassisches Experiment

Rosenthal & Jacobson (1968) führten ein bahnbrechendes Experiment in Schulen durch. Lehrern wurde mitgeteilt, dass bestimmte (zufällig ausgewählte) Schüler besonderes intellektuelles Potenzial hätten. Am Ende des Schuljahres zeigten diese Schüler tatsächlich größere Leistungssteigerungen.

📚 Wissenschaftliche Quellen

Thorndike, E. L. (1920). A constant error in psychological ratings. Journal of Applied Psychology, 4(1), 25-29.
Asch, S. E. (1946). Forming impressions of personality. The Journal of Abnormal and Social Psychology, 41(3), 258-290.
Rosenthal, R., & Jacobson, L. (1968). Pygmalion in the classroom: Teacher expectation and pupils' intellectual development. New York: Holt, Rinehart & Winston.

Attributionstheorie

Wie wir Ursachen für Verhalten erklären

🎯 Attributionstheorie nach Heider

Die Attributionstheorie erklärt, wie Menschen das Verhalten anderer interpretieren, indem sie es entweder internen Faktoren (Persönlichkeit, Veranlagung) oder externen Faktoren (Situation, Umstände) zuschreiben.

Internale Attribution
Externale Attribution

Internale Attribution: Das Verhalten wird auf persönliche Eigenschaften, Fähigkeiten oder Einstellungen zurückgeführt.

💡 Beispiel

"Er hat die Prüfung bestanden, weil er intelligent ist."

Externale Attribution: Das Verhalten wird auf äußere Umstände oder situative Faktoren zurückgeführt.

💡 Beispiel

"Er hat die Prüfung bestanden, weil sie sehr leicht war."

🔬 Forschung

Heider (1958) legte in seinem Werk "The Psychology of Interpersonal Relations" den Grundstein für die Attributionstheorie und betonte die Bedeutung der Unterscheidung zwischen Person und Situation.

⚠️ Fundamentaler Attributionsfehler

Die systematische Tendenz, bei der Erklärung des Verhaltens anderer Menschen den Einfluss der Situation zu unterschätzen und den Einfluss persönlicher Eigenschaften zu überschätzen.

📌 Kernaspekte

  • Überschätzung dispositonaler Faktoren
  • Unterschätzung situativer Einflüsse
  • Kulturell variabel (stärker in individualistischen Kulturen)
  • Kann zu Fehlurteilen und Missverständnissen führen

📊 Jones & Harris (1967) - Castro-Studie

Teilnehmer lasen Essays über Fidel Castro. Selbst wenn ihnen gesagt wurde, dass die Autoren gezwungen waren, eine bestimmte Position zu vertreten, schrieben sie den Autoren entsprechende persönliche Einstellungen zu.

🌍 Gerechte-Welt-Glaube

Die Tendenz zu glauben, dass die Welt grundsätzlich gerecht ist und Menschen bekommen, was sie verdienen. Dies kann zu Victim-Blaming führen.

💡 Beispiel

Die Annahme, dass Opfer von Verbrechen oder Unglücken selbst daran schuld sein müssen ("Sie hätte vorsichtiger sein sollen").

🔬 Forschung

Lerner (1980) prägte dieses Konzept in "The Belief in a Just World: A Fundamental Delusion" und zeigte, wie dieser Glaube als psychologischer Schutzmechanismus funktioniert.

📚 Wissenschaftliche Quellen

Heider, F. (1958). The Psychology of Interpersonal Relations. New York: Wiley.
Jones, E. E., & Harris, V. A. (1967). The attribution of attitudes. Journal of Experimental Social Psychology, 3(1), 1-24. Link
Ross, L. (1977). The intuitive psychologist and his shortcomings. Advances in Experimental Social Psychology, 10, 173-220.
Lerner, M. J. (1980). The Belief in a Just World: A Fundamental Delusion. New York: Plenum Press.

Einstellungen und Überzeugung

Wie Einstellungen entstehen und verändert werden

🛤️ Zwei Routen der Überzeugung (ELM)

Das Elaboration Likelihood Model (ELM) von Petty & Cacioppo (1986) beschreibt zwei Wege, wie Menschen überzeugt werden können.

Zentrale Route
Periphere Route

🎯 Zentrale Route

Überzeugung durch sorgfältige Evaluation der Argumente. Tritt auf bei:

  • Hoher Motivation (persönliche Relevanz)
  • Hoher Fähigkeit (Wissen, Zeit)
  • Führt zu dauerhafteren Einstellungsänderungen

🔄 Periphere Route

Überzeugung durch oberflächliche Hinweisreize. Tritt auf bei:

  • Niedriger Motivation oder Fähigkeit
  • Fokus auf Quelle (Attraktivität, Expertise)
  • Führt zu weniger stabilen Einstellungsänderungen

🔬 Forschung

Petty & Cacioppo (1986) entwickelten das ELM als umfassendes Modell der Einstellungsänderung. Ihre Experimente zeigten, dass die Route der Verarbeitung von individuellen und situativen Faktoren abhängt.

🚪 Foot-in-the-Door-Technik

Eine Überzeugungstechnik, bei der zunächst um eine kleine Gefälligkeit gebeten wird, gefolgt von einer größeren Bitte. Die Zustimmung zur ersten Bitte erhöht die Wahrscheinlichkeit der Zustimmung zur zweiten.

📊 Freedman & Fraser (1966)

Hausbesitzer wurden gebeten, ein kleines Schild im Fenster aufzustellen. Zwei Wochen später waren sie eher bereit, ein großes Schild im Vorgarten aufzustellen (76%) als die Kontrollgruppe (17%).

📌 Wirkmechanismen

  • Selbstwahrnehmungstheorie: "Ich bin hilfsbereit"
  • Konsistenzbedürfnis
  • Commitment und Eskalation

🔄 Kognitive Dissonanz

Das unangenehme Gefühl, das entsteht, wenn Einstellungen und Verhalten nicht übereinstimmen. Menschen sind motiviert, diese Dissonanz zu reduzieren.

💡 Beispiel

Ein Raucher, der weiß, dass Rauchen schädlich ist, erlebt kognitive Dissonanz. Er kann diese reduzieren durch: Aufhören zu rauchen, die Gefahren herunterspielen oder positive Aspekte betonen.

🔬 Festinger & Carlsmith (1959)

Teilnehmer, die für eine langweilige Aufgabe nur $1 erhielten, bewerteten sie später als interessanter als jene, die $20 erhielten - sie mussten ihre Einstellung ändern, um die Dissonanz zu reduzieren.

📚 Wissenschaftliche Quellen

Petty, R. E., & Cacioppo, J. T. (1986). The elaboration likelihood model of persuasion. Advances in Experimental Social Psychology, 19, 123-205.
Freedman, J. L., & Fraser, S. C. (1966). Compliance without pressure: The foot-in-the-door technique. Journal of Personality and Social Psychology, 4(2), 195-202.
Festinger, L. (1957). A Theory of Cognitive Dissonance. Stanford University Press.

Sozialer Einfluss

Wie andere Menschen unser Verhalten beeinflussen

🔄 Arten des sozialen Einflusses

Compliance
Konversion
Konformität

📋 Compliance

Öffentliche Verhaltensänderung ohne private Akzeptanz. Die Person fügt sich dem Gruppendruck, behält aber ihre eigene Meinung bei.

💡 Beispiel

In einer Besprechung stimmen Sie einer Idee zu, obwohl Sie privat anderer Meinung sind.

🔄 Konversion

Sowohl öffentliche als auch private Meinungsänderung. Die Person übernimmt die Gruppenmeinung vollständig.

💡 Beispiel

Nach intensiver Diskussion ändern Sie tatsächlich Ihre Meinung zu einem Thema.

👥 Konformität

Die Tendenz, sich an Gruppennormen anzupassen. Kann durch informativen oder normativen Einfluss entstehen.

📊 Informativer vs. Normativer Einfluss

📌 Informativer Einfluss

  • Basiert auf dem Bedürfnis nach korrekter Information
  • "Die anderen wissen es besser"
  • Führt oft zu privater Akzeptanz
  • Stärker in mehrdeutigen Situationen

📌 Normativer Einfluss

  • Basiert auf dem Bedürfnis nach sozialer Akzeptanz
  • "Ich möchte dazugehören"
  • Führt oft nur zu öffentlicher Compliance
  • Stärker bei sichtbarem Verhalten

🔬 Deutsch & Gerard (1955)

Unterschieden erstmals systematisch zwischen diesen beiden Einflussarten und zeigten ihre unterschiedlichen Auswirkungen auf Konformität.

⚡ Gehorsam gegenüber Autoritäten

Die Tendenz, Anweisungen von Autoritätspersonen zu befolgen, selbst wenn diese im Konflikt mit persönlichen Werten stehen.

📊 Milgram-Experimente (1961-1963)

65% der Teilnehmer verabreichten vermeintliche Elektroschocks bis zur höchsten Stufe (450 Volt), wenn eine Autoritätsperson dies anordnete.

Einflussfaktoren:

  • Nähe zur Autoritätsperson
  • Nähe zum Opfer
  • Legitimität der Autorität
  • Gruppenunterstützung für Ungehorsam

📚 Wissenschaftliche Quellen

Milgram, S. (1963). Behavioral study of obedience. The Journal of Abnormal and Social Psychology, 67(4), 371-378.
Deutsch, M., & Gerard, H. B. (1955). A study of normative and informational social influences upon individual judgment. The Journal of Abnormal and Social Psychology, 51(3), 629-636.
Asch, S. E. (1951). Effects of group pressure upon the modification and distortion of judgments. In H. Guetzkow (Ed.), Groups, leadership and men. Pittsburgh, PA: Carnegie Press.

Gruppenprozesse

Dynamiken und Phänomene in Gruppen

😴 Social Loafing (Soziales Faulenzen)

Die Tendenz, in Gruppensituationen weniger Anstrengung zu zeigen als bei Einzelarbeit. Die individuelle Leistung nimmt ab, wenn die eigene Anstrengung nicht identifizierbar ist.

📊 Ringelmann-Effekt (1913)

Beim Tauziehen sinkt die durchschnittliche Zugkraft pro Person mit zunehmender Gruppengröße:

  • 1 Person: 100% Leistung
  • 2 Personen: 93% pro Person
  • 3 Personen: 85% pro Person
  • 8 Personen: 49% pro Person

📌 Reduktionsstrategien

  • Individuelle Leistung messbar machen
  • Persönliche Verantwortung erhöhen
  • Gruppengrößen klein halten
  • Aufgabenrelevanz steigern

🔬 Latané et al. (1979)

Prägten den Begriff "Social Loafing" und zeigten in verschiedenen Experimenten (Klatschen, Rufen), dass die Reduktion der Anstrengung ein universelles Phänomen ist.

🎭 Deindividuation

Der Verlust der Selbstwahrnehmung und persönlichen Verantwortung in Gruppensituationen, besonders unter Bedingungen von Anonymität und Erregung.

💡 Beispiele

  • Hooliganismus bei Sportveranstaltungen
  • Online-Trolling und Cybermobbing
  • Plünderungen bei Unruhen
  • Aber auch: Ausgelassenes Feiern bei Konzerten

🔬 Zimbardo (1969)

Zeigte, dass anonyme Teilnehmer (mit Kapuzen) längere und intensivere Elektroschocks verabreichten als identifizierbare Teilnehmer.

🔄 Gruppenpolarisierung

Die Tendenz von Gruppen, nach Diskussionen extremere Positionen einzunehmen als der Durchschnitt der individuellen Ausgangsmeinungen.

📌 Mechanismen

  • Informationsaustausch: Argumente in Richtung der Mehrheitsmeinung überwiegen
  • Sozialer Vergleich: Mitglieder wollen positiv hervorstechen
  • Wiederholte Exposition: Häufige Wiederholung verstärkt Einstellungen

💡 Moderne Beispiele

Echokammern in sozialen Medien verstärken bestehende Meinungen und führen zu extremeren Positionen in politischen und sozialen Fragen.

🏆 Soziale Erleichterung

Die Anwesenheit anderer kann die Leistung bei einfachen oder gut gelernten Aufgaben verbessern, aber bei komplexen oder neuen Aufgaben verschlechtern.

🔬 Zajonc (1965)

Erklärte das Phänomen durch erhöhte Erregung: Diese verstärkt dominante (gut gelernte) Reaktionen und hemmt nicht-dominante (neue) Reaktionen.

📚 Wissenschaftliche Quellen

Ringelmann, M. (1913). Recherches sur les moteurs animés: Travail de l'homme. Annales de l'Institut National Agronomique, 12, 1-40.
Latané, B., Williams, K., & Harkins, S. (1979). Many hands make light the work: The causes and consequences of social loafing. Journal of Personality and Social Psychology, 37(6), 822-832. Link
Zimbardo, P. G. (1969). The human choice: Individuation, reason, and order versus deindividuation, impulse, and chaos. Nebraska Symposium on Motivation, 17, 237-307.
Moscovici, S., & Zavalloni, M. (1969). The group as a polarizer of attitudes. Journal of Personality and Social Psychology, 12(2), 125-135.

Vorurteile und Diskriminierung

Entstehung und Auswirkungen von Vorurteilen

🔗 Das ABC der Vorurteile

Vorurteile bestehen aus drei Komponenten, die zusammenwirken:

Stereotyp (Kognitiv)
Vorurteil (Affektiv)
Diskriminierung (Behavioral)

🧠 Stereotyp

Verallgemeinerte Überzeugungen über eine Gruppe. Kognitive Komponente.

💡 Beispiel

"Alle Mitglieder der Gruppe X sind Y" (z.B. "Deutsche sind pünktlich")

❤️ Vorurteil

Negative oder positive Gefühle gegenüber einer Gruppe. Emotionale Komponente.

💡 Beispiel

Unbehagen, Angst oder Abneigung gegenüber einer bestimmten Gruppe

✋ Diskriminierung

Negatives Verhalten gegenüber Gruppenmitgliedern. Verhaltenskomponente.

💡 Beispiel

Benachteiligung bei Einstellungen, Vermeidungsverhalten, Mikroaggressionen

👥 Eigengruppen-Bias

Die Tendenz, die eigene Gruppe ("Wir") gegenüber Fremdgruppen ("Sie") zu bevorzugen, selbst bei minimalen oder willkürlichen Gruppeneinteilungen.

📊 Minimal Group Paradigm - Tajfel et al. (1971)

Selbst zufällige Gruppenzuteilungen (z.B. "Überschätzer" vs. "Unterschätzer" von Punkten) führten zu:

  • Bevorzugung der Eigengruppe bei Ressourcenverteilung
  • Positivere Bewertung von Eigengruppenmitgliedern
  • Maximierung des relativen Vorteils gegenüber der Fremdgruppe

📌 Funktionen des Eigengruppen-Bias

  • Stärkung der sozialen Identität
  • Erhöhung des Selbstwertgefühls
  • Reduktion von Unsicherheit
  • Förderung von Gruppenkohäsion

👁️ Other-Race-Effekt

Die Tendenz, Gesichter der eigenen ethnischen Gruppe besser zu erkennen und zu erinnern als Gesichter anderer ethnischer Gruppen.

🔬 Meissner & Brigham (2001)

Meta-Analyse von 39 Studien zeigte: Menschen sind 1.4x wahrscheinlicher, Gesichter der eigenen Ethnie korrekt zu identifizieren und 1.56x weniger wahrscheinlich, sie fälschlicherweise zu identifizieren.

📌 Erklärungsansätze

  • Kontakthypothese: Mehr Erfahrung mit eigener Gruppe
  • Kategorisierung: Fremdgruppen-Gesichter werden oberflächlicher verarbeitet
  • Expertise: Spezialisierung auf Merkmale der eigenen Gruppe

🎯 Shooter Bias

Die Tendenz, schneller zu schießen, wenn das Ziel einer ethnischen Minderheit angehört, und langsamer, wenn es zur Mehrheit gehört - unabhängig davon, ob eine Waffe vorhanden ist.

🔬 Correll et al. (2002)

In Videospiel-Simulationen zeigten Teilnehmer systematische Verzerrungen:

  • Schnellere "Schieß"-Entscheidungen bei bewaffneten Schwarzen
  • Schnellere "Nicht-Schieß"-Entscheidungen bei unbewaffneten Weißen
  • Mehr Fehler bei unbewaffneten Schwarzen (fälschlich geschossen)

🔄 Kontakthypothese

Vorurteile können durch positiven Kontakt zwischen Gruppen reduziert werden, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.

📌 Allport's Bedingungen (1954)

  • Gleicher Status in der Kontaktsituation
  • Gemeinsame Ziele
  • Intergruppliche Kooperation
  • Unterstützung durch Autoritäten

🔬 Pettigrew & Tropp (2006)

Meta-Analyse von 515 Studien mit über 250.000 Teilnehmern bestätigte: Intergruppenkontakt reduziert Vorurteile signifikant (r = -.21), besonders wenn Allports Bedingungen erfüllt sind.

📚 Wissenschaftliche Quellen

Tajfel, H., Billig, M. G., Bundy, R. P., & Flament, C. (1971). Social categorization and intergroup behaviour. European Journal of Social Psychology, 1(2), 149-178.
Meissner, C. A., & Brigham, J. C. (2001). Thirty years of investigating the own-race bias in memory for faces: A meta-analytic review. Psychology, Public Policy, and Law, 7(1), 3-35.
Correll, J., Park, B., Judd, C. M., & Wittenbrink, B. (2002). The police officer's dilemma: Using ethnicity to disambiguate potentially threatening individuals. Journal of Personality and Social Psychology, 83(6), 1314-1329.
Allport, G. W. (1954). The Nature of Prejudice. Cambridge, MA: Addison-Wesley.

Aggression

Ursachen und Mechanismen aggressiven Verhaltens

🧬 Biologische Faktoren

Genetisch
Neuronal
Biochemisch

🧬 Genetische Faktoren

MAOA-Gen ("Krieger-Gen"): Niedrige Expression ist mit erhöhter Aggression bei Provokation assoziiert.

🔬 Caspi et al. (2002)

Männer mit niedriger MAOA-Aktivität und Misshandlung in der Kindheit zeigten deutlich höhere Aggressionsraten.

🧠 Neuronale Faktoren

  • Amygdala: Erhöhte Aktivität bei aggressiven Reaktionen
  • Präfrontaler Kortex: Reduzierte Aktivität → verminderte Impulskontrolle
  • Serotonin: Niedrige Spiegel assoziiert mit impulsiver Aggression

💉 Biochemische Faktoren

Testosteron: Höhere Spiegel korrelieren mit aggressiverem Verhalten, besonders in Kombination mit niedrigem Cortisol.

🔬 Dabbs et al. (1995)

Gefängnisinsassen mit hohem Testosteronspiegel hatten häufiger Gewaltdelikte begangen.

😤 Frustrations-Aggressions-Hypothese

Frustration (Blockierung von Zielen) erzeugt eine Bereitschaft zur Aggression. Die ursprüngliche Hypothese wurde später modifiziert.

📌 Moderne Sichtweise

  • Frustration führt zu emotionaler Erregung
  • Aggression ist eine mögliche, aber nicht zwangsläufige Reaktion
  • Abhängig von Lernerfahrungen und situativen Hinweisreizen
  • Andere Reaktionen: Rückzug, Problemlösung, Hilflosigkeit

🔬 Berkowitz (1989)

Reformulierte die Theorie: Frustration führt zu negativem Affekt, der die Wahrscheinlichkeit aggressiver Reaktionen erhöht, besonders bei Vorhandensein aggressiver Hinweisreize.

🎮 Medieneinfluss und Soziales Lernen

Aggressives Verhalten wird durch Beobachtung und Nachahmung gelernt. Mediengewalt kann aggressives Verhalten fördern.

📊 Bobo-Doll-Experiment - Bandura et al. (1961)

Kinder, die Erwachsene bei aggressivem Verhalten gegen eine Puppe beobachteten, zeigten später selbst mehr aggressives Verhalten, besonders wenn das Modell belohnt wurde.

📌 Mechanismen der Medienwirkung

  • Modelllernen: Nachahmung beobachteter Aggression
  • Desensibilisierung: Abstumpfung gegenüber Gewalt
  • Priming: Aktivierung aggressiver Gedanken und Gefühle
  • Rechtfertigung: Normalisierung aggressiven Verhaltens

🔬 Anderson et al. (2010)

Meta-Analyse zeigte konsistente Zusammenhänge zwischen Gewaltmedienkonsum und aggressivem Verhalten, Gedanken und Gefühlen (r = .15-.20).

🌡️ Umweltfaktoren

Verschiedene Umweltbedingungen können die Aggressionsbereitschaft erhöhen.

💡 Hitze-Hypothese

Höhere Temperaturen korrelieren mit mehr Gewaltverbrechen. Die Beziehung ist kurvilinear - extreme Hitze kann auch zu Lethargie führen.

📌 Weitere Faktoren

  • Lärm: Erhöht Stress und Aggressionsbereitschaft
  • Überfüllung: Verletzung des persönlichen Raums
  • Schmerz: Direkte Auslösung aggressiver Impulse
  • Alkohol: Enthemmung und reduzierte Selbstkontrolle

📚 Wissenschaftliche Quellen

Dollard, J., Miller, N. E., Doob, L. W., Mowrer, O. H., & Sears, R. R. (1939). Frustration and Aggression. New Haven, CT: Yale University Press.
Bandura, A., Ross, D., & Ross, S. A. (1961). Transmission of aggression through imitation of aggressive models. The Journal of Abnormal and Social Psychology, 63(3), 575-582.
Berkowitz, L. (1989). Frustration-aggression hypothesis: Examination and reformulation. Psychological Bulletin, 106(1), 59-73.
Anderson, C. A., Shibuya, A., Ihori, N., et al. (2010). Violent video game effects on aggression, empathy, and prosocial behavior in Eastern and Western countries. Psychological Bulletin, 136(2), 151-173.

Berühmte Experimente

Meilensteine der Sozialpsychologie

⚡ Milgram-Experimente (1961-1963)

Ziel: Untersuchung des Gehorsams gegenüber Autoritäten

Ablauf: Teilnehmer sollten einem "Schüler" (Konföderierten) bei falschen Antworten Elektroschocks verabreichen.

Ergebnis: 65% verabreichten Schocks bis zur höchsten Stufe (450V), trotz Schreien und Bitten des "Opfers".

📌 Schlüsselfaktoren

  • Gradueller Anstieg der Intensität
  • Legitimität der Autorität (Yale University)
  • Verantwortungsdiffusion
  • Fehlen von Verhaltensalternativen

🏛️ Stanford-Prison-Experiment (1971)

Forscher: Philip Zimbardo

Ziel: Einfluss von Rollen und Situationen auf Verhalten

Ablauf: Studenten wurden zufällig zu "Wärtern" oder "Gefangenen" in einem simulierten Gefängnis.

Ergebnis: Abbruch nach 6 Tagen wegen extremer Rollenübernahme, Machtmissbrauch der Wärter und psychischer Belastung der Gefangenen.

📌 Kritikpunkte (moderne Perspektive)

  • Mangelnde wissenschaftliche Kontrolle
  • Aktive Einflussnahme durch Forscher
  • Selektive Darstellung der Ergebnisse
  • Ethische Bedenken

📏 Asch-Konformitätsexperimente (1951-1956)

Ziel: Untersuchung des Gruppendrucks auf individuelle Urteile

Ablauf: Teilnehmer sollten Linienlängen vergleichen, während Konföderierte absichtlich falsche Antworten gaben.

Ergebnis: 75% der Teilnehmer stimmten mindestens einmal der offensichtlich falschen Gruppenmeinung zu.

📌 Einflussfaktoren

  • Gruppengröße (Maximum bei 3-4 Personen)
  • Einstimmigkeit (ein Abweichler reduziert Konformität drastisch)
  • Öffentlichkeit der Antwort
  • Aufgabenschwierigkeit

🏕️ Robbers Cave Experiment (1954)

Forscher: Muzafer Sherif

Ziel: Entstehung und Überwindung von Intergruppenkonflikten

Phasen:

  1. Gruppenbildung: Zwei Gruppen (Eagles & Rattlers) entwickeln eigene Identität
  2. Konflikt: Wettbewerb führt zu Feindseligkeit
  3. Kooperation: Übergeordnete Ziele reduzieren Konflikte

📌 Wichtige Erkenntnisse

  • Gruppenidentität entsteht schnell
  • Konkurrenz um knappe Ressourcen erzeugt Konflikte
  • Übergeordnete Ziele fördern Kooperation
  • Basis für Realistic Conflict Theory

👶 Bobo Doll Experiment (1961)

Forscher: Albert Bandura

Ziel: Untersuchung des Lernens durch Beobachtung

Ergebnis: Kinder imitierten aggressives Verhalten gegen eine Puppe, besonders wenn das Modell belohnt wurde.

📌 Bedeutung

  • Begründung der sozial-kognitiven Lerntheorie
  • Wichtig für Diskussion über Mediengewalt
  • Zeigt Bedeutung von Modellen für Verhalten

📚 Wissenschaftliche Quellen

Milgram, S. (1974). Obedience to Authority: An Experimental View. New York: Harper & Row.
Zimbardo, P. G. (2007). The Lucifer Effect: Understanding How Good People Turn Evil. New York: Random House.
Asch, S. E. (1956). Studies of independence and conformity: A minority of one against a unanimous majority. Psychological Monographs, 70(9), 1-70.
Sherif, M., Harvey, O. J., White, B. J., Hood, W. R., & Sherif, C. W. (1961). Intergroup Conflict and Cooperation: The Robbers Cave Experiment. Norman, OK: University of Oklahoma Book Exchange.